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Es gab und gibt uns ...



  Deutsche im polnischen Schlesien

Dort im polnischen Schlesien hat man uns Deutsche Schlesier nach dem 08. Mai 1945 "Hitlerowce" und hier später nach der Umsiedlung in die Bundesrepublik Deutschland nicht selten "Polacke" genannt. Unsere Existenz ist auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich, das liegt wohl daran, dass wir nie ein Sprachrohr hatten, welches uns ohne Verzehrung vertreten hätten. Wir fanden uns nach 1945, aufgrund des Fehlverhaltens der eigenen deutschen Nation in einem fremden Staat wieder, mit dem wir klar kommen mussten. Die Elite der deutschen Schlesier, die mit dem Kriegsregime gemeinsame Sache gemacht hat, war aus Schlesien geflüchtet aus Furcht vor einer Bestrafung durch die Sieger. Auch diese Menschen nannten sich später Vertriebene, zur Schande derjenigen, die zu Unrecht aus ihrer Heimat ohne eigener Schuld vertrieben worden sind. Immerhin sind nach 1945 noch etwa 1,6 Millionen Deutsche in Polen verblieben, heute leben dort noch etwa 0,3 bis 0,5 Millionen Deutsche. Die nach 1945 bis 1990 ausgesiedelte Gruppe Deutscher aus Polen in der Größenordnung von 1,1 bis 1,3 Millionen , ist in der Bundesrepublik nie richtig politisch als eine eigenständige Gruppe wahrgenommen worden und wenn, dann ist diese Gruppe zusammen mit den Vertriebenen in einen Topf geworfen worden, was nicht richtig war und ist!

Völker- und Sprachenkarte im Deutschen Reich aus dem DIERCKE
SCHUL-ATLAS für höhere Lehranstalten von 1911

Nach einer moralischen Schuld hat aber damals niemand gefragt. Wir, die geblieben sind, mussten die Wut der von deutschen Psychopathen über viele Jahre davor gepeinigten Polen nun aushalten. Bis 1958 hat es dem kommunistisch/stalinistisch ideologisch motivierten Polen an Toleranz und Objektivität gefehlt.

Es dauerte viele Jahre, bis sich nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems 1990-1991 die demokratischen Kräfte auch in Schlesien und Polen durchsetzen konnten und ein Miteinander von deutschen und polnischen Schlesiern möglich geworden ist. Ebenfalls sind der deutschen Minderheit in Schlesien im Jahre 1990 sog. Minderheitenrechte nach internationalen Standards garantiert worden.

Die Migration des schlesischen Volkes nach Deutschland hat nun, nach vielen Jahrzehnten, ein vorläufiges Ende gefunden.

Die Situation in der Beziehung der Völker Polens und Deutschlands hat sich grundlegend geändert. Polen ist heute ein vollwertiges Mitglied der NATO und wird im Jahre 2004 in die EU aufgenommen. Am 13.12.2002 ist es zu einer historische Einigung zwischen Polen und der EU über die finanziellen Aspekte des Beitritts Polens gekommen. Im Mai 2004 müssen nun die Polen selbst in einer Volksabstimmung entscheiden ob sie der EU beitreten wollen oder nicht. Der Prozess der Normalisierung der Beziehung beider Völker, nach dem schrecklichen Krieg mit seinen Folgen, hat insgesamt 59 Jahre gedauert. Es bleibt zu hoffen, dass sich eine solche Geschichte niemals mehr wiederholt!

Das ein Deutscher in der Bundesrepublik nach 1945 zusätzlich Englisch oder Französisch sprach haben die meisten Deutschen begriffen, nicht aber, dass Deutsche auch die polnische Sprache konnten. Das war sehr ungewöhnlich und die einheimische Bevölkerung ging auf Distanz zu uns, als ob wir nicht ein Teil des Deutschen Volkes wären. Nur Leistung im Sport oder Beruf hat bei den Einheimischen Respekt erzeigt, baute man sich aber ein eigenes Haus, dann ist Neid aufgekommen. Gerüchte sind entfacht worden, ob wir nicht vom Staat dafür Geld bekommen hätten mit dem "Flüchtlingsstatus". So manchen konnte man das nicht aus dem Kopf treiben, eine regelrechte krankhafte Konditionierung hat sich da bei manchem Einheimischen Unterfranken z.B. ausgebildet.

Die Landsmannschaften haben uns mit der damaligen Rückforderungspolitik für die ehemaligen Deutschen Ostgebiete keinen Gefallen getan, auch nicht die Politiker der damaligen Zeit, die auf Stimmenfang bei den ausgesiedelten Schlesiern mit derartigen Forderungen unterwegs waren.

Von der Bundesrepublik ist über weite Strecken nichts Gutes an Ostpolitik in den 50er und 60er Jahren ausgegangen um die Situation der Deutschen Schlesier im polnischen Schlesien zu erleichtern. Adenauer hat sich voll auf eine französische Freundschaft ausgerichtete Politik konzentriert, was an sich nicht schlecht war, er reihte sich aber genauso nahtlos in die Rückforderungspolitik gegenüber Polen in der damaligen Zeit ein. Ein Schlag in das Gesicht der Polen war dann auch der Beitritt von Adenauer zum Deutschen Orden, der vor mehrere Jahrhunderten bereits großes Unglück über Polen gebracht hat. Das konnten die Polen nicht verstehen und schon gar nicht vergessen.

Der Versöhnungsbrief der polnischen Bischöfe an die Deutschen Amtsbrüder  im November 1965, in dem sie angesichts der tragischen deutsch-polnischen Geschichte der 40 Jahre den Ausspruch "Wir vergeben und bitten um Vergebung" taten, leitete eine Wende in der Annäherungspolitik der beiden Staaten ein. Diese Aussage galt damals als Verrat an den polnischen Staatsräson. Papst Paul VI. wurde deshalb 1966 ein Polenbesuch versagt. Erst nach den Dezemberunruhen 1970 suchte die polnische Regierung unter Gierek verstärkt die Unterstützung der katholischen Kirche. Diese Kirche hat dann aber zusammen mit dem polnischen Papst in den folgenden Jahren den kommunistischen Herrschern die Grenzen gezeigt.

Einen echten politischen Durchbruch zur Verbesserung der Beziehungen schaffte dann erst Bundeskanzler Willi Brandt, der wohl einzige visionäre Nachkriegspolitiker Deutschlands, als er durch seinen berühmten "Kniefall" 1970 bei der Kranzniederlegung vor dem Denkmal der Aufständischen des Warschauers Gettos in die Geschichte eingegangen ist und auch dei Herzen der Polen gewonnen hat. Brandt begründete seinen Kniefall gegenüber den Vertrauten mit den Worten "Ich hatte das Gefühl, das reicht nicht, einen Kranz niederzulegen...".

  Brandt 08.12.1970 Kohl 12.11.1989

Am 17. Juni 1991 unterzeichneten der polnische Ministerpräsident Bielicki und Bundeskanzler Kohl den historischen Freundschaftsvertrag zwischen Polen und Deutschland. Von nun an wussten die Deutschen innerhalb welcher Grenzen Sie wohnen und die Polen wussten, wo Ihre Westgrenze lag.

Der Begriff "Polnische Wirtschaft" sorgte seit dem späten 18. Jahrhundert für ein negatives Polenbild. Für viele deutsche Ohren klingt dieser Begriff immer noch nach geradezu sprichwörtlicher Schlamperei, Unzuverlässigkeit und Ineffizienz. Das hat Tradition, mindestens seit dem 19. Jahrhundert. Noch im Wörterbuch der deutschen Umgangssprache von 1987 wird die "polnische Wirtschaft" als Synonym für eine "unvorstellbare Unordnung" aufgeführt. Von wegen Unordnung! "In den letzten Jahren hat sich Polen zur Avantgarde der Transformationsländer vorgearbeitet", beteuert Warschaus Wirtschaftsminister Janusz Steinhoff, ein nüchterner Schlesier, der seit der Wende politisch aktiv ist. "Regelrechte Pionierarbeit" sei es gewesen, das Land vor dem Verfall zu retten. Heute erntet er dafür Anerkennung von allen Seiten. Polen habe sich zum "Musterland erfolgreicher Transformation" entwickelt, lobte jüngst die Deutsche Bank Research und fügte hinzu: "Die Ergebnisse für Tschechien und selbst Ungarn nehmen sich dagegen bescheiden aus." Bankier Kostrzewa geht noch einen Schritt weiter: "Wir sind viel unternehmungslustiger als die EU-Länder." So war jedenfalls in der "ZEIT" 25/2001 zu lesen.

Aus meiner eigenen beruflichen Erfahrung und Geschäften mit polnischen Firmen z.B. in Gleiwitz im Bereich Anlagenbau kann ich das was die "ZEIT" mal geschrieben hat, voll unterstreichen.
Es sind große Anstrengungen gemacht worden um Made in Poland zur Qualität zu machen. Mit der staatlichen Organisation UDT
(URZ¡D DOZORU TECHNICZNEGO), einer Technischen Qualitäts- 
Überwachungsorganisation (ähnlich dem hiesigen TÜV) ist es den
Polen gelungen echte Qualität zu produzieren, die sich nicht hinter
den westlichen Standards verstecken muss.

Keine gute Ausgangslage hat die traditionelle polnische Landwirtschaft, auch nicht in der EU. heute schon ist das Einkommen der Landwirte sehr niedrig. In Schlesien dominiert die private Kleinbauernwirtschaft mit dem Pferd als Zugkraft. Dort wird allerdings zum großen Teil das Land nur noch im Nebenerwerb bestellt. Die großen Agrarflächen liegen in Hinterpommern und immer mehr deutsche, holländische oder französische Landwirte engagieren sich in der landwirtschaftlichen Großwirtschaft.

Betrachtet man so die hier in der Bundesrepublik von sog. Heimatverlagen veröffentlichte Literatur, die sich mit der Vertreibung beschäftigt, so muss man feststellen, dass sich niemand mit den wirklich unangenehmen Fragen beschäftigt, meist bleibt die Nazizeit in der viele der Protagonisten entscheidende Jugendjahre verbracht haben, gänzlich ausgespart. Es gibt immer nur Opfer und eigene Aufopferung. Die Schuldzuweisungen gehen an die Politiker oder Kriegsgewinnler. Versöhnung ist wichtig, doch die Nostalgie heilt nicht. Und die Gesamtgeschichte lässt sich kaum verstehen, wenn sie auf die persönliche Erfahrung reduziert wird.

Betrachtet man weiter die Arbeit der organisierten Deutschen Minderheit in Schlesien z.B., dann muss man feststellen, dass sich diese Gruppen sehr einseitig mit der Historie vor 1945 beschäftigen und dort ihre Identitäten suchen. Im Vordergrund werden bis zum Erbrechen der sozialkritische Gerhard Hauptmann oder der Dichter der Romantik Joseph Freiherr von Eichendorf für die Schlesische Sache strapaziert. Hier eine Gedenktafel dort eine Büste, hier eine Wegbezeichnung oder ein Gedenkfest. In den Heimatstuben wird auch schon mal eine Kassette mit schmalzigen schlesischen Liedern der Vorkriegszeit aufgelegt und es mit mitgesungen und mitgeschunkelt. Trachten- und Gesangsgruppen beleben mit ihren Darbietungen die "guten alten Zeiten". Welche waren das eigentlich? Soldatendenkmäler werden fleißig restauriert und zweisprachige Ortstafeln aufgestellt. Ja man stimmt bei den nicht wenigen Festlichkeiten, die auch noch von Deutschen Konsulat in Breslau finanziell unterstützt werden, auch schon mal das Schlesierlied an. So singen Sie ihre alten Lieder wieder, was keine Botschaft für die Zukunft sein kann. Ich frage mich, was die Nachkriegsgeneration der Deutschen Schlesier damit eigentlich bezwecken will?

Ich vermisse in der mir vorliegenden Literatur und den Publikationen der Deutschen Minderheit in Schlesien, wie z.B. "BULLETIN", die Auseinandersetzung mit dem Nazi-Widerstand in Schlesien. Nicht einmal ein Versuch einer ehrlichen Bestandsaufnahme ist erkennbar. Man erfährt nichts, vom 3. Reich in Schlesien und der Vergangenheitsbewältigung der Schlesier dort damit. Interessant wäre natürlich auch mal aus einem solchen Blatt zu erfahren, wie sich die Polnischen Schlesier mit der Kommunistischen Diktatur bis 1989 heute auseinandersetzen. Beide Gruppen, Deutsche- und Polnische Schlesier müssen in Schlesien zusammenleben, war bis zum 3.Reich auch über lange geschichtliche Strecken ganz ausgezeichnet funktioniert hat.

Viel sinnvoller ist es, Deutschen Sprachunterricht anzubieten und deutschsprachige Gesamtliteraturwerke oder auch Geschichts- und Kunstausstellungen an welchen alle die Interesse haben daran teilnehmen können, also auch die Polnischen Schlesier. Nur das würde nach meiner Meinung die Menschen wirklich zusammenführen und nicht in Gruppen teilen. Das wird zwar auch angeboten im heutigen Schlesien, und das sind gute Ansätze, meiner Meinung nach jedoch viel zu wenig.

Das Thema Umwelt oder zumindest das Umweltbewusstsein wird von den ihre Heimat so sehr liebendende Deutschen Schlesischen Gruppen nicht wahrgenommen oder gar nicht bearbeitet. Die Sanierung der Umwelt in Schlesien wird auf 15 Milliarden €uro geschätzt und dieses Geld ist auch bei der EU nicht vorhanden.

Deutsche Schlesier, die zwischen 1945 und 1990 aus Schlesien aussiedelten und die polnische Sprache noch einigermaßen gut beherrschen könnten ein wichtiger Baustein sein im Zusammenwachsen der heute die Region Schlesien bewohnenden Volksgruppen. Sie könnten rein sprachlich schon die Rolle der Vermittler und Brückenbauer nach Europa übernehmen.

Bisher fehlt ein deutliches Zeichen einer solchen Initiative für eine längst fällige Völkerverständigung zwischen Polen und Deutschen.

 

Ausgabedatum: 06.01.2003, Bruno Peter Hennek

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